Buddhismus im Westen

Woran denkst Du, wenn Du den Begriff „Buddhismus“ hörst? Was sind die ersten Assoziationen und Bilder, die dazu in Deinem Kopf entstehen?

Vielleicht denkst Du an Mönche und Nonnen in roten Gewändern, die auf den schneebedeckten Gipfeln Tibets leben. Vielleicht auch an hauslose Wanderer, die über die staubigen Straßen Indiens wandern und von Almosen leben. Sicher denken die meisten Menschen auch an den Buddha – heutzutage sitzt eine lächelnde Buddha-Statue ja gefühlt in jedem zweiten Wohnzimmer, Schaufenster oder Vorgarten.

Welche Bilder und Gedanken entstehen nun in Deinem Geist, wenn Du die Formulierung „Buddhismus im Westen“ liest?

Wahrscheinlich fällt es Dir wesentlich schwerer, Dir hierzu ein klares Bild vorzustellen. Unser Verständnis des Buddhismus ist normalerweise so stark von den kulturellen Besonderheiten der Länder beeinflusst, in denen Buddhismus als Religion fest etabliert ist, dass wir schnell das Gefühl bekommen können, die Lehren des Buddha seien zwar inspirierend und sinnhaft, für uns Westler aber schlicht nicht anwendbar. Schließlich können (und wollen) die meisten von uns nicht einfach in einem Kloster verschwinden oder ohne Dach über dem Kopf von Haus zu Haus ziehen und in der Natur leben!

Genau mit diesem Problem sah sich Sangharakshita, der Gründer der Buddhistischen Gemeinschaft Triratna, konfrontiert, als er 1964 in England ankam. 15 Jahre hatte er auf die traditionelle Art als Wandermönch und später in einem von ihm gegründeten Kloster in Nordindien gelebt und sich dort der buddhistischen Praxis gewidmet und dabei mit Lehrern aller großen buddhistischen Schulen studiert. Zurück in England wurde aber schnell deutlich, dass er neue Wege finden musste, um die Lehre des Buddha für Menschen des westlichen Kulturkreises relevant und lebbar zu machen.

Aus dieser Vision Sangharakshitas entstand 1967 – vor genau 50 Jahren – der Buddhistische Orden Triratna (ehemals Westlicher Buddhistischer Orden) und ein Jahr später die Buddhistische Gemeinschaft Triratna (ehemals Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens). Mittlerweile zählt Triratna mehr als 65 Zentren und Gruppen in 28 Ländern, 13 davon in Deutschland.

Welchen Ansatz verfolgt Triratna also, um der Lehre des Buddha ein zeitgemäßes und für Menschen im Westen effektiv praktizierbares Gewand zu geben? Das Hauptprinzip ist einfach: „Back to the basics!“ – eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien des Buddhismus, die von allen existierenden buddhistischen Traditionen akzeptiert und praktiziert werden. Sangharakshita sagt hierzu:

„Ich glaube, der Berg [von buddhistischen Praktiken] ist so hoch geworden, dass wir einfach zurückgehen müssen. Sonst haben wir Anhäufungen über Anhäufungen verschiedener Praktiken, die einander im Laufe der Zeit abgelöst haben. Du kannst ebenso gut einfach alle späteren Entwicklungen fallen lassen und zum Ursprünglichen zurückkehren, zu dem, was näher an der Zeit des Buddha und am Buddha selbst liegt. Wir können dies dank unserer historischen Perspektive [auf die Entwicklung des Buddhismus] tun, wohingegen die meisten Buddhisten diese Möglichkeit bisher nicht hatten.“

Aus dieser Rückbesinnung auf die Kernlehren des Buddha und das bewusste kritische Hinterfragen all der kulturellen Anhäufungen, die sich im Laufe der letzten 2.500 Jahre herausgebildet haben, ergeben sich eine Reihe von Schwerpunkten, die buddhistische Praxis im Kontext von Triratna charakterisieren:

  • Ein „ökumenischer“ Ansatz: Wir suchen nach den grundlegenden Prinzipien und Wahrheiten hinter den spezifischen kulturellen Formen des Buddhismus und ziehen dabei sowohl Inspiration als auch Praktiken aus der gesamten buddhistischen Tradition.
  • Die Zentralität von Zufluchtnahme: Am wichtigsten ist unsere Selbstverpflichtung zu spirituellem Wachstum, während die Art und Weise, wie wir diese Selbstverpflichtung in die Praxis umsetzen, von Person zu Person und von Lebensabschnitt zu Lebensabschnitt variiert.
  • Die Einheit des Ordens und der Gemeinschaft: Wir bieten einen offenen und inklusiven Kontext spiritueller Praxis für alle – es werden keine Unterschiede auf Basis von Geschlecht, Herkunft, Nationalität, Alter oder sexueller Orientierung gemacht.
  • Die Wichtigkeit von Freundschaft: Tiefe Freundschaften, sowohl mit erfahreneren Praktizierenden als auch mit denjenigen, die auf einer ähnlichen Ebene wie wir praktizieren, ist aus unserer Sicht ein zentraler Teil effektiver spiritueller Praxis.
  • Die Wichtigkeit von Arbeit: Arbeit, besonders solche, die eine altruistische oder spirituelle Motivation hat, erlaubt es uns, unsere Energie zu unserem eigenen Wohl und zum Wohl anderer einzusetzen und so Stagnation und Untätigkeit zu vermeiden.
  • Die Wichtigkeit von Kunst: Kunst erweitert unsere Vorstellungskraft, verfeinert unser emotionales Erleben und richtet unsere Emotionen auf heilsamere Geisteszustände aus und kann spirituelle Werte auf ästhetische Art und Weise kommunizieren.